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Bielefelder Tageblatt / Neue Westfälische ,
17.03.1993 :
Kurz gefragt / Ignatz Bubis / Bielefeld-Besuch
Frage: Herr Bubis, Sie treffen sich heute mit Bielefelds Oberbürgermeister Eberhard David. Worum wird es denn gehen?
Bubis: Es gibt keine besonderen Themen. Der Besuch ist so zustande gekommen: Ich bin befreundet mit dem Beigeordneten Ludwig. Und ich hatte ihm erzählt, dass ich eine Einladung nach Rheda-Wiedenbrück habe. Da hat er mich gebeten, doch mal in Bielefeld vorbeizuschauen. Diese Einladung habe ich gerne angenommen. Dann hat mich der Oberbürgermeister ins Rathaus eingeladen. Worum es aber gehen soll, weiß ich nicht.
Frage: Die Region ist ein Zentrum rechtsradikaler Aktivitäten. Die verbotene Nationalistische Front hatte hier ihre Zentrale. Wird auch das Thema sein?
Bubis: Das wusste ich nicht. Aber dies werde ich natürlich thematisieren. Ich werde darum bitten, mich über alles zu informieren, vor allem, was dagegen unternommen wird.
Frage: Was werden Sie gerade in Richtung Rechtsextremismus vom Bielefelder Oberbürgermeister fordern?
Bubis: Der Oberbürgermeister hat da keine großen Möglichkeiten. Aber er kann sicherlich seinen politischen Einfluß geltend machen. Das unterstelle ich.
Frage: Es sind hauptsächlich junge Menschen, die auf ausländerfeindliche Sprüche hereingefallen sind, insbesondere in Ostdeutschland. Was halten Sie denn von der Jugendpolitik der Regierung?
Bubis: Ich will das nicht überbewerten. Dem Verfassungsschutz ist bekannt, dass es 6500 bis 7000 junge Menschen sind, die rechtsradikale Gewalt ausüben. Davon sind mehr als die Hälfte in den neuen Bundesländern. Davon aber abzuleiten, dass die ganze Jugendpolitik nicht stimmt, ist falsch. Dazu kommt, dass es Hunderttausende von Jugendlichen gibt, die an den Demonstrationen und den Lichterketten gegen Ausländerfeindlichkeit teilgenommen haben. Deshalb habe ich so mit einer Pauschalbewertung meine Bedenken. Dennoch ist es in puncto Freizeitgestaltung für Jugendliche, mit Jugendclubs und ähnlichem mehr, ganz wichtig, dass etwas unternommen wird, besonders in den neuen Bundesländern.
Frage: Die rechtsextremistische "Deutsche Liga" hat in Köln eine regelrechte Hatz auf eine illegal nach Deutschland zurückgekehrte, abgeschobene Roma-Frau eröffnet. Sie lässt mit Plakaten und 5000 Mark Belohnung nach ihr suchen. Wie beurteilen Sie denn das?
Bubis: Das erinnert mich fatal an Nazimethoden, und ich meine, dass die Polizei dagegen eingreifen muss. Es geht nicht an, dass private Gruppen sich als Sheriffs aufspielen. Vor allem würde ich mal nachfragen, woher sie das Geld dafür haben.
Frage: Sie erwarten also, dass die Staatsanwaltschaft an die finanzielle Decke dieser Organisation geht?
Bubis: Das halte ich für ganz wichtig.
Frage: Die "Deutsche Liga" ist noch nicht verboten. Andere Organisationen sind schon verboten worden.
Bubis: Das muss der Bundesinnenminister entscheiden. Ich finde, dass von den Gruppierungen, die Gewalt predigen, viel zu wenig verboten wurden. Denn es sind dem Bundesverfassungsschutz 77 solcher Gruppierungen bekannt, und davon sind drei verboten worden. Ich spreche von diesen Gruppierungen, die Gewalt predigen und Gewalt ausüben.
Die Fragen stellte Herbert Weber.
lok-red.bielefeld@neue-westfaelische.de
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