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Neue Osnabrücker Zeitung , 01.03.2004 :

"Osnabrück sagt Nein zu dem braunen Treiben"

Von Dirk Meyer

Das "Osnabrücker Bündnis gegen den NPD-Aufmarsch" hat am Samstag ein deutliches Zeichen gegen rechtsextreme Politik gesetzt. Um 10.30 Uhr startete der Zug von rund 2.500 friedliebenden Demonstranten unter Führung und Organisation des Deutschen Gewerkschaftsbundes vom Theater bis zum Ledenhof.

Die dortige Abschlusskundgebung mit Musik-, Kunst- und Redebeiträgen verfolgten noch rund die Hälfte der Teilnehmer, der Rest suchte den direkten Kontakt zu den unerwünschten NPD-Marschierer am Neumarkt und am Berliner Platz.

Bevor die Anhänger der NPD am Güterbahnhof überhaupt ihren Marsch durch die Osnabrücker Innenstadt starten konnten, waren die Friedensdemonstrierer des Osnabrücker Bündnisses bereits lange unterwegs. Dabei waren Schüler- , Eltern- und Lehrervertretungen vieler Schulen ebenso wie Mitglieder des Rates, der Ortsräte und aller demokratischen Parteien. "Für uns ist die Teilnahme an der Demo eine Selbstverständlichkeit", sagt Carsten Möller, Vorsitzender des Stadtverbandes der Jusos. "Schließlich gilt es auch, das Image Osnabrücks als Friedensstadt zu unterstreichen."

Der Aufruf von Organisator Reiner Trzeciak vom Deutschen Gewerkschaftsbund zu einer friedlichen Demonstration fand Gehör. Der Marsch über die Hasestraße und den Wall zum Ledenhof verlief problemlos. Lediglich von einer kleinen Gruppe der Teilnehmer mussten sich die begleitenden Polizeibeamten unflätige Beschimpfungen gefallen lassen.

"Warum sind wir nicht dort wo die Nazis sind, um ihnen zu zeigen, dass wir gegen sie sind", sagte avanti-Sprecherin Hildgard Winkler bei der Kundgebung am Ledenhof. Sie richtete ihre Kritik gegen das große Polizeiaufgebot, dass nach ihrer Auffassung zum Schutz der NPD-Marschierer angetreten sei und die linken Demonstranten schon im Vorfeld der Ereignisse als gewaltbereit kriminalisiert hätte.

Dieser Meinung wollten sich die übrigen Redner allerdings nicht anschließen. "Die Gewerkschaft der Polizei ist Mitglied unseres Bündnisses gegen den Nazi-Aufmarsch", machte Hartmut Riemann, erster Bevollmächtigter der IG Metall in Osnabrück, deutlich. "Wir wissen, dass viele Beamte ihren Dienst heute nur sehr ungern tun und es ihnen schwer fällt, die braune Brut zu schützen. Diesen Kollegen gilt unsere volle Solidarität."

Riemann erinnerte in seiner Rede an die Besetzung des damaligen Gewerkschaftshauses im März 1933 durch die Nationalsozialisten. "Es ist unerträglich, dass heute die gleichen Schergen dort und vor unserem Haus am August-Bebel-Platz aufmarschieren dürfen." Er kritisierte auch, dass es den Verfassungsbehörden bisher nicht gelungen sei, die NPD zu verbieten und somit Aufmärsche wie jetzt in Osnabrück zu ermöglichen.

Die fünfköpfige Hochschulgruppe "Spaß und Geselligkeit" hatte ihre eigene Art, gegen den NPD-Aufmarsch in Osnabrück zu demonstrieren. Verkleidet mit Perücke und roter Pappnase, stand auf ihrem Transparent am Eingang des Ledenhofes zu lesen: "Osnabrück lacht über den braunen Karneval."

"Wir sagen Nein zu Ausgrenzung und Ausweisung", rief Hartmut Marks-von der Born in seinem Statement den Teilnehmern der Kundgebung zu. Die Kirchen engagieren sich bei dieser Demonstration, so der evangelische Pastor, weil sie ein zutiefst anderes Menschenbild als die rechten Demonstranten hätten. Als Zeitzeugin des Nazi-Regimes schilderte Marianne Semnet von der Gedenkstätte Gestapokeller ihre Erlebnisse aus der Zeit bis 1945. Für sie war es ein besonderes Zeichen "gegen die alten und neuen Nazis, dass sich so viele junge Menschen an der heutigen Friedensdemonstration beteiligen". Sie schlug unter dem Applaus der Zuhörer den Verantwortlichen der Stadt vor, neben den Friedensreitern an den Ortseingängen neue Schilder aufzustellen: "Unsere Stadt ist Nazi-frei".

Wohl wegen Schnee und Kälte und wegen des Aufrufs von Hartmut Riemann, symbolisch das Gewerkschaftshaus am August-Bebel-Platz zu bewachen, löste sich die Veranstaltung am Ledenhof trotz weiter gehenden Kultur- und Musikprogramms ab 12.30 Uhr nach und nach auf.


f.wiebrock@neue-oz.de

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