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Warburger Zeitung / Neue Westfälische , 25.07.2007 :

Bewährungsstrafe für Nazi-Tätowierer / Strenge Auflage eines Sicherungshaftbefehls verhängt

Kreis Höxter (bat). Auf seinem T-Shirt seht in den bei Rechtsradikalen beliebten Schrifttypen "Odin statt Jesus": Kahl geschorener Kopf und tätowiert bis in den Nacken hinauf, ist Norbert M. (28, Name geändert) nicht unbedingt der Typ, dem man im Dunkeln begegnen möchte. Schon gar nicht, wenn M. getrunken hat – und das hatte er meistens. Was dann passieren kann, erfuhr ein Passant während der vergangenen Höxteraner Osterkirmes.

Auf der Weserbrücke traf der Passant auf M. Der in Bomberjacke und Springerstiefel gekleidete, hauptberufliche Tätowierer nahm Anstoß an den weißen Schnürsenkeln des Passanten, versetzte ihn in Todesangst und drohte damit, ihn "abzustechen".

Gestern hat das Höxteraner Schöffengericht den gebürtigen Aschaffenburger wegen Bedrohung, versuchter Nötigung, Sachbeschädigung, Einbruch und Diebstahl zu einer 18-monatigen Bewährungsstrafe verurteilt.

Kein Scherz: Am 1. April marschierte er mit Springerstiefeln über Fahrzeuge

Die Sache auf der Weserbrücke im April war nicht das einzige Delikt in einem kurzen Zeitraum. Im November des verganenen Jahres war der dem Staatsschutz bestens bekannte Rechtsradikale nach einer mehrjährigen Haftstrafe wegen schweren Landfriedensbruchs und gefährlicher Körperverletzung aus dem Berliner Gefängnis in Tegel entlassen worden.

Bald darauf zog er zu seiner neuen Freundin nach Höxter-Ottbergen. Es war eine Zeit mit viel Alkohol. Der 1. April wurde mit Car-Walking gefeiert. In Höxter marschierte M. mit seinen Springerstiefeln über zwei Fahrzeuge. Sachschaden: 2.800 Euro. Ende April nahm sich M. eine eigene Wohnung in Höxter. Dazu trat er einfach die Tür ein und machte sich dort solange breit, bis der Mieter zurückgekehrte. Die letzten zehn Wochen lebte der M. dann deutlich beengter in einer Untersuchungszelle.

Bewährungszeit des Angeklagten von vier Jahren ist doppelt so lang wie üblich

Gestern wurde er auf freien Fuß gesetzt – allerdings mit hohen Auflagen. Staatsanwalt Ralf Vetter hatte 18 Monate Haft gefordert. Über eine Dreiviertelstunde dauerte die Beratung des Gerichts. "Der Angeklagte hat eine vollkommen neue Situation geschaffen, wenn er jetzt versagt, vergibt er die letzte Chance, die er in seinem Leben bekommen wird", sagte der Vorsitzende Richter, Amtsgerichtsdirektor Dr. Andreas Hohendorf.

M. hatte bejaht, an einem Aussteigerprogramm für Rechtsradikale teilnehmen zu wollen und sich den Verfassungsbehörden als Kronzeuge zur Verfügung zu stellen. Maßgeblich für die Entscheidung des Höxteraner Amtsgerichts war aber, dass Norbert M. einen Platz im Resozialisierungsprogramm des Paderborner Vereins KIM-Sozialarbeit vorweisen konnte.

Das Paderborner Modellprojekt zur Haftvermeidung läuft seit 2003 mit Unterstützung des Landes. "Ziel dieses Programms ist es auch, die Kosten im Strafvollzug zu reduzieren", erläuterte KIM-Sozialarbeiterin Andrea Grabowski, die direkt im Anschluss an den Prozess die Betreuung von M. übernahm.

Die Bewährungszeit ist mit vier Jahren doppelt so lang wie üblich, außerdem hat das Höxteraner Gericht einen Sicherungshaftbefehl erlassen.

Das bedeutet, dass M. nicht erst straffällig werden muss, um die Bewährung zu verwirken.

Es genügt, wenn er gegen die Auflagen von KIM verstößt, indem er beispielsweise den Kontakt zu der Resozialisierungsstelle abbricht.


lok-red.warburg@neue-westfaelische.de

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