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Lippische Rundschau ,
24.03.1997 :
ÖTV Lippe distanziert sich von Diskriminierungsvorwürfen / 800 demonstrierten gegen Überfall
Von Stefan Metzler
Detmold (LR). Mit einem Marsch durch die Detmolder Innenstadt und einer Schlußkundgebung vor dem Karstadt-Kaufhaus demonstrierten am Samstagvormittag nach Polizeiangaben 800 Menschen gegen den Überfall von teilweise vermummten und bewaffneten Bundeswehrsoldaten auf vier junge Ausländer (wir berichteten ausführlich). Verantwortet wurde die friedlich verlaufende Demonstration von überwiegend links orientierten Gruppen, wie dem Antifaschistischen Arbeitskreis Detmold, dem Internationalen Beratungszentrum Lippe (ibz) und der Flüchtlingshilfe Detmold.
Volker Wiemann, Mitarbeiter des ibz, sprach vor Medienvertretern aus mehreren Ländern den Betroffenen des Überfalls sein Mitgefühl aus. Er betonte, dass es in Detmold viele Menschen gäbe, die nicht bereit seien, rassistisch motivierte Gewalttaten hinzunehmen. Wiemann griff die Brisanz des Überfalls auf. Er nahm die Tatsache, dass die Täter aus den Reihen der Bundeswehr kamen, zum Anlaß, sich gegen die Bundeswehr und deren Einsätze zu wenden. Wiemann: "In dieser Armee muß natürlich wie in der ganzen Gesellschaft der Rassismus bekämpft werden. Besser ist es aber, sie aufzulösen."
Auf erheblichen Protest seitens der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transporte und Verkehr (ÖTV) stieß die Aussage Wiemanns, auch Mitarbeiter der Detmolder Stadtverwaltung würden sich ausländerfeindlich verhalten und Ausländer wie Asylsuchende diskriminieren. Udo Haushalter von der ÖTV-Kreisverwaltung distanzierte sich vom Wortlaut des Demonstrationsaufrufes. "Es war richtig, und notwendig, zu der Demonstration aufzurufen. Leider war es falsch, dass die Anschuldigungen gegen städtische Bedienstete mit dem Aufruf verbunden waren und vom DGB mit unterzeichnet wurde." Soweit die Vorwürfe nicht durch Fakten belegt seien, dürften sie nicht in dieser Pauschalität und in diesem Zusammenhang gemacht werden. Die ÖTV werde in Zukunft keine Veranstaltungen mit Volker Wiemann unterstützen. Die lippische FDP forderte Bürgermeister Brakemeier auf, den Anschuldigungen nachzugehen und diese lückenlos aufzuklären.
Bedauert wurde von Demonstrationsteilnehmern und Vertretern der Mitorganisatoren von amnesty international, dass es Bürgermeister Friedrich Brakemeier und den Vertretern der beiden großen Kirchen verwehrt worden sei, zu sprechen.
Nach der Kundgebung fuhren rund 80 Demonstranten, die von der Polizei der autonomen Szene zugerechnet wurden, nach Augustdorf. Vor dem Tor der GFM-Kaserne fand eine weitere 30minütige Kundgebung statt. Aufgeheizte Demonstranten warfen Erdbeeren und Erdklumpen über das Kasernentor, um das Wachpersonal zu provozieren. Ein Pressevertreter wurde erheblich durch körperliche Übergriffe seitens einiger Demonstranten an seiner Arbeit gehindert. Erst durch das Eingreifen der Polizei vermochte sich der Journalist in Sicherheit bringen. Ein Soldat konnte seinen Dienst nur unter Polizeischutz antreten.
Der Generalinspekteur der Bundeswehr, Hartmut Bagger, verurteilte gestern die Vorfälle. Er bezeichnete es als unerträglich, was von Soldaten in Uniform angerichtet worden sei. Die Bundeswehr werde die Soldaten entlassen.
In einer Resolution des 15. Bezirkstages der Gewerkschaft Holz und Kunststoff in Bad Salzuflen verurteilten die Delegierten die Übergriffe der Soldaten: "Gerade die Bundeswehr muß, vor dem Hintergrund ihrer Vergangenheit, rechtsradikale Tendenzen auf das Entschiedenste bekämpfen".
wb@westfalen-blatt.de
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