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Bielefelder Tageblatt (OH) / Neue Westfälische , 10.05.2007 :

"Die Silberhaar-Revolution"

Es gibt positive wie negative Stimmen. Sie beziehen sich auf die Besetzer der Paul-Gerhardt-Kirche und deren Kontrahenten in diesem schon lange schwelenden Streit wie auch auf die Berichterstattung in der NW. Die Menge der Wortmeldungen zeigt eines ganz sicher: Die Auseinandersetzung um den Verkauf einer Kirche in Bielefeld ist eines der ganz großen Themen in der Leserschaft. Im Folgenden eine Zusammenfassung der jüngsten Leserbriefe zum Thema:




Knapp 30 Jahre nachdem wir als Mitglieder der Bielefelder Selbsthilfe im beginnenden "Deutschen Herbst" das Wohnhaus in der Siechenmarschstraße 40 besetzten, um gegen die Zerstörung eines ganzen Viertels mit preiswertem Wohnraum zu protestieren, scheint die Besetzung als Mittel in der politischen Auseinandersetzung endgültig in der Mitte der Gesellschaft angekommen zu sein.

Betrachten wir nur einmal die Akteure auf allen Seiten: Da ist zum einen der ehemalige WDR-Redakteur (Eitel Riefenstahl; Anm.d.Red). Man kann sicherlich viel Gutes zu seiner Berichterstattung in seinen aktiven Zeiten sagen, aber auf keinen Fall, dass er den Besetzern damals auch nur ansatzweise den Raum für eine offene und faire Berichterstattung über ihr Anliegen eingeräumt hätte, den er jetzt mit seiner Aktion erhält. Dann ist da noch der Richter im Amt (Vorsitzender Richter am Landgericht Claus Grünhoff; Anm.d.Red.), der tagsüber richtet und nach Feierabend die Kirche besetzt. Dass der damals von einigen Teilen der Linken propagierte "Marsch durch die Institutionen" mal solche Auswirkungen haben würde, wer hätte das zu träumen gewagt? Auf der anderen Seite: Herr Haase, zu seiner beruflich aktiven Zeit Leiter manchen Polizeieinsatzes gegen alles, was sich kritisch (nicht nur) mit der Stadtsanierung auseinandersetzte. Wenn dieses kampferprobte Schlachtross heute sagt, dass man eine Räumung vermeiden wolle, um keine unschönen spektakulären Bilder zu erzeugen, dann hat man doch den Eindruck, dass die eine oder andere durch exzessiven Einsatz von Chemical Mace vergossene Träne doch nicht umsonst geflossen ist.

Weniger erstaunlich ist, dass CDU-Ratsherr Hartmut Meichsner auch bei dieser Besetzung auftaucht. Aber, liebe Besetzerkollegen, aufgepasst! Wir erinnern uns noch gut an die gelegentlichen Besuche von (damals) Jung-Hartmut. Wie er dann jovial mit uns diskutierte, seine kritische Haltung gegenüber den CDU-Bonzen heraushängte und auch schon mal vermeintliche Interna und Geheimnisse ausplauderte. Später hatten wir dann das zweifelhafte Vergnügen, in amtsinternen Akten lesen zu können, wie er uns nach diesen Besuchen bei der Stadtverwaltung anschwärzte.

Also bei einem solchen Umfeld, liebe Besetzerkollegen, müsst Ihr Euch wenig Sorgen wegen der Strafanzeige machen. Man kann schon spüren, mit welch geringer Begeisterung die Justiz sich dieser Sache annehmen wird. Deshalb lohnt es sich meines Erachtens nicht, die Rücknahme der Anzeige als Vorbedingung für Gespräche zu fordern. Nein! Raus aus der Festung der Maximalpositionen, rein in die Verhandlungen und für eine Lösung streiten! Frei nach einem alten Brecht-Zitat: "Wer nicht mal seine Rente zu verlieren hat, wie sollte der aufzuhalten sein!"

Ganz egal wie die Besetzung ausgeht, die Augen der Öffentlichkeit richten sich mal wieder auf eine Besetzung in Bielefeld. Wahrscheinlich horchen die Soziologen an der Bielefelder Uni längst auf. Wird hier eine neue Dimension der Demokratieentwicklung sichtbar? Werden demnächst unsere Kinder sagen: "Besser unsere Senioren besetzen Kirchen als fremde Länder"? Ist Bielefeld mal wieder ganz vorne mit dabei, wenn eine neue soziale Bewegung entsteht? Wird gar einst in den Geschichtsbüchern stehen: "Die Silberhaar-Revolution begann in Bielefeld?" Ich bin sehr gespannt auf die weitere Entwicklung, die ich diesmal aus der Beobachterperspektive verfolgen darf.

Christian Presch
Bielefeld




Langsam geht mir die Soap-Opera Kirchenbesetzung auf den Keks. Als Kirchenbesetzer Geller das Gesprächsangebot von Frau Burg mit den Worten ablehnte, sie ist "Partei", habe ich mich gefragt, wes Geistes Kind Herr Geller ist. Wer soll denn sonst so ein Gesprächsangebot machen? Und ist er nicht Partei? Mit wem oder zwischen wem soll denn sonst ein Gespräch stattfinden, wenn nicht zwischen den Kontrahenten? Nicht wenige Gemeindemitglieder sollten sich freilich von dem Transparent am Eingang getroffen fühlen: "Kirchenverkauf gegen die Gemeinde" verkündet es. Da ich Gemeindemitglieder kenne, die nicht dagegen sind, ist das eine Anmaßung.

Ulrich Schmidt
Bielefeld




Der emotionalen Reaktion der lippischen Politikerin (Gudrun Kopp; Anm.d.Red.) wird in der Berichterstattung der NW ein breiter Raum eingeräumt, ja, die Erklärung von Frau Kopp "die nächste Eskalationsstufe ist erreicht" – nur weil ihr Vorschlag abgelehnt wurde? – wird von der NW zu einer Schlagzeile umformuliert. Welchen Grund gibt es für die Lokalredaktion, dem Votum dieser Politikerin ein derartiges Gewicht zu geben? Den Argumenten der Kirchenkreisleitung und der Neustädter Mariengemeinde gegen die vorgeschlagene Mediation werden gerade einmal zwei inhaltliche Sätze gewidmet.

Grete Röder
Bielefeld




Als langjährige Abonnenten Ihrer Zeitung protestieren wir gegen die einseitige Berichterstattung über die Besetzung der Paul-Gerhardt-Kirche. Warum bekommen diese Besetzer so viel Raum? Haben Sie eigentlich nichts Wichtigeres und Qualifizierteres zu berichten?

Martin und Claudia Hülsenbeck
Bielefeld




Auch ich gehöre nicht zu der Gemeinde der Paul-Gerhardt-Kirche, verfolge aber mit wachsender Empörung das Geschehen. Pastor Menzel und seine Mitstreiterinnen und Mitstreiter führen vor, warum sich so viele Menschen von der Institution Kirche abwenden, die, wie in diesem Fall, konträr zu der Lehre Christi steht. Pastor Menzel, im Neuen Testament finden Sie und der Kirchenkreis eine Antwort, wie Sie den Konflikt mit den "Protestanten" der Paul-Gerhardt-Gemeinde lösen können.

Renate Kohlrausch
Bielefeld




In dieser Zeitung las ich, dass die Stadt Bielefeld und das Land NRW für den Umbau der Kirche in eine Synagoge Geld zahlen wollen. Warum können die Stadt Bielefeld und das Land NRW für den Erhalt des Gotteshauses kein Geld zahlen? Ebenso wundert es mich, dass der Präses Alfred Buß für den Verkauf der Kirche, des Gotteshauses, ist. Gerade er müsste sich nach meiner Meinung für den Erhalt der Kirche einsetzen, wenn er für den Herrgott etwas übrig hätte. So wie er sich zurzeit verhält, kann ich ihm nur sagen, dass er für das Amt als Präses der evangelischen Kirche nicht geeignet ist.

Walter Becker
Bielefeld




Mit Unverständnis nehme ich zur Kenntnis, dass der Kirchenkreis Strafanzeige gegen die Besetzer der Paul-Gerhardt-Kirche gestellt hat und einem Mediationsverfahren nicht zustimmt. Wie glaubwürdig ist eine Kirche, die Nächstenliebe predigt, sie aber nicht praktiziert? Gelten Bibelworte nur für andere?

Wilfried Kleinebreil
Schloß Holte




Schade, dass ein Gotteshaus, die Paul-Gerhardt-Kirche, Gegenstand nicht endender Auseinandersetzungen ist. Wie immer auch das Kreiskirchenamt entscheidet, wichtig ist, dass die Türen dieser Kirche geöffnet bleiben für Menschen, die alle zu dem gleichen Gott beten. Käme es tatsächich zu einem Wechsel, so wäre das ein deutliches Zeichen von Annäherung der Religionen, für die auch in hohem Maße unser jetziger Papst Benedikt eintritt.

Lisa Dirkschnieder
Schloß-Holte Stukenbrock




Auffällig war schon, dass der Ärger mit den Glaubensgenossen vor ein weltliches Gericht gebracht wurde, was das Neue Testament einen schlimmen Frevel nennt. Aber dafür könnte man den Ratschlag eines klugen Schriftgelehrten namens Gamaliel zur Kenntnis nehmen, der seiner aufgeregten Kirchenleitung zu bedenken gab: "Ist das Werk aus den Menschen, so wird's untergehen; ist's aber aus Gott, so könnt ihr’s nicht dämpfen". Also ein bisschen Geduld, ihr Kirchenfunktionäre und inzwischen den Ratschlag des Gamaliel im 5. Kapitel der Apostelgeschichte nachlesen, "auf das ihr nicht erfunden werdet als die wider Gott streiten wollen".

Helmut Schaffrannek
Bielefeld




Angesichts der massiven Proteste, die sich jetzt gegen die Aufgabe der Kirche und gegen den Verkauf wenden, sind Kaufwillige und Verkäufer gut beraten, von ihrem Vorhaben Abstand zu nehmen. Kirchen rechnen eigentlich in Jahrhunderten und Jahrtausenden. Warum kann man den Besetzern nicht einfach nachgeben und abwarten, was wirklich passiert? Würde die Amtskirche recht behalten, kamen die Dissidenten nach einigen Jahren reumütig in den Schoß der Neustädter Gemeinde zurück. Warum muss die Amtskirche ihr unzweifelhaftes Recht gewaltsam durchsetzen? Auseinandersetzungen wie die um den Verkauf der Paul-Gerhardt-Kirche schaden den Kirchen nachhaltig.

Stefan Depermann
Gütersloh




Als in der Neustädter Mariengemeinde geborenes Mitglied, ihr also seit mehr als acht Jahrzehnten zugehörig, empfinde ich die von "einem vorsitzenden Richter a. D." angefachte öffentliche Diskussion weder der Kirchengemeinde noch einer Kirche überhaupt dienlich. Sie zeigt vielmehr erschreckenderweise, wie ein Richter sich nicht in eine demokratische Rechtsordnung und auch nicht in eine Kirchenordnung einzugliedern weiß. Es gibt unter rein kirchlicher Betrachtung Grenzen gegenüber der begehrten Willensdurchsetzung eines Außenseiters, der notwendige wirtschaftliche Überlegungen in kirchlichem Bereich offenbar nicht angewandt wissen will.

Herwarth Westerfelhaus
Bielefeld




Der liebe Herrgott soll gesagt haben "Mein Reich ist hier nicht auf Erden." Und so ist das nun mal, wir müssen selber fertig werden mit all dem Trouble, den wir selber verursacht haben. Es wäre vielleicht angebracht mal einzusehen, dass es Unsinn ist, noch länger die Kirche zu besetzen. Die Rentnerband sollte sich mal wieder nach Hause begeben, und die schwarze Fahnen von der Kirche runterholen.

Emmy P. Ch. Tacke
Bielefeld




Sehr gut kann ich den Schmerz der Menschen der Paul-Gerhardt-Kirche verstehen. Ein Abschied ist immer sehr traurig. Aber erstens befinden wir uns in einer Phase, wo viele Gemeinden zusammengelegt werden. Das ist leider nötig, wegen der sinkenden Mitgliederzahlen; zweitens sollte man doch froh sein, dass in diesem Gotteshaus auch weiter Gottesdienste gefeiert werden können. Das würde mich sehr freuen, weil ich den jüdischen Menschen Bielefelds von Herzen ein neues Zuhause wünsche.

Eva-Maria Falkenhagen
Bielefeld




Seit einiger Zeit unterhalten Sie uns fast täglich mit angeblichen Neuigkeiten aus der Besetzerszene der Paul-Gerhardt-Kirche – angesichts der häufigen Schwierigkeiten, andere für die Gesellschaft wichtigere Nachrichten in Ihrer Zeitung unterzubringen, ist das schon erstaunlich. Befremdend finde ich jedoch die Art der Darstellung, zum Beispiel Einzelheiten zum Tagesablauf – sowie die Häufigkeit, mit der Sie das genannte Thema aufgreifen. Als Mitglied einer Gemeinde, die sich vor kurzem mit drei anderen Kirchengemeinden zusammengeschlossen hat, denke ich, dass wir in der Kirche der Zukunft nicht um den Erhalt von Gebäuden, sondern vorrangig um das Überleben als Christen in einer humanen, sozial gerechten Gesellschaft kämpfen müssen.

Erika Stückrath
Bielefeld




Handelt es sich hier um einen Rückfall in längst überwunden geglaubte Zeiten der "pfarrherrlichen" autoritär-bürokratischen Amtskirche, die mit Paragraphen regiert statt seelsorgerlich das Leben in den Gemeinden zu fördern? Sieht man denn "höheren Orts" nicht, wie sich in der geschundenen, vom "Aus" bedrohten Paul-Gerhardt-Gemeinde neues Leben regt und wächst? Es werden täglich Gebets- und Singandachten gehalten, es werden sonntags "illegale" Gottesdienste gehalten – mit gutem Kirchenbesuch. Da die Orgel wegen "amtlicher" Stromabschaltung unbenutzbar ist, kommt der Posaunenchor einer anderen Gemeinde und begleitet den Gemeindegesang. Befreundete Pastoren halten die Predigt und nehmen dafür kirchenleitende "Rügen" in Kauf. In die Gottesdienste kommen außer der Gemeinde Menschen aus ganz Bielefeld und darüber hinaus, ja sogar jüdische Mitbürger und bekunden damit ihre Sympathie und Solidarität. Die "Besetzung" wird im Schichtdienst rund um die Uhr durchgeführt von zum großen Teil älteren Gemeindegliedern – doch wohl aus Liebe zu ihrer Kirche und nicht als "erpresserische Drohgebärde". Wächst hier nicht etwas Gesundes, Neues von der Basis her? Wie heißt es in der Jahreslosung: "Siehe, ich will ein Neues schaffen, jetzt wächst es auf, erkennt ihr's denn nicht?" (Jes. 43,19).

Dieter Schwerdtfeger
Bielefeld




Wir sind empört über die Berichterstattung Ihrer Zeitung, die auch unsere Zeitung ist. Seit Wochen sind Sie mit der Art Ihrer Berichterstattung Teil der Dynamik eines Konfliktes in der evangelischen Kirche. Uns scheint, Sie wollen der Kirche schaden. Vielleicht ist dieser Konflikt für Sie auch nur eine "Ware", die sich für Ihre Zeitung gut vermarkten lässt. Wir allerdings möchten diese Ware nicht kaufen müssen. Wir wünschen uns unsere Tageszeitung kritisch, aber nicht parteilich.

Erika und Karl-Heinz Kämper
Anneliese Gerke
Christel Eickmeyer
Annette Nolte-Stracke
Jutta und Jürgen Diekmann
Bielefeld




Der unselige Konflikt um die Paul-Gerhardt-Kirche hat einen nicht unbedeutenden Nebeneffekt, bildet er doch durch seine Medienpräsenz die weithin sichtbare Spitze eines Eisbergs, in dessen unsichtbarem Teil sich viele zweifelhafte Anordnungen evangelisch-lutherischer Entscheidungsträger finden. Im Zuge von sicherlich notwendigen Sparmaßnahmen ist es in zahlreichen Gemeinden und auch auf kirchenkreislicher Ebene zu zwielichtigen, konzeptionslosen Beschlüssen und Verfügungen gekommen, die bei den Betroffenen Bestürzung und Distanz auslösten. In der Regel haben es die verantwortlichen christlichen Funktionäre durch Gesprächsverzicht, unzutreffende Darstellungen, Machtgehabe oder Diffamierungen vermocht, ihre Kontrahenten sprachlos zu machen. Wenn beschlossen wird, dass Pastorinnen und Pastoren ohne einen Cent Einbuße mit 58 Jahren in den Ruhestand treten können, gleichzeitig Küsterinnen, Kirchenmusiker oder Sekretärinnen entlassen werden oder drastische Einbußen hinnehmen müssen, ist das ein Skandal sondergleichen.

Martin Sandmeyer
Bielefeld




Dass eine kleine Gruppe eigensinniger alter Männer so viel Presseecho bekommt, verstehe ich nicht. Die Betreffenden hatten meines Wissens ursprünglich einer Fusion zugestimmt – und seit die Jüdische Kultusgemeinde als Käufer im Gespräch ist, stehen sie nicht mehr zu ihrem eigenen Wort. Dass aus einer Kirche, die aufgegeben werden muss, eine Synagoge werden soll, heißt doch, dass sie weiter ein Haus zum Lob Gottes bleibt – was könnte denn Besseres geschehen? Es ist an der Zeit, 69 Jahre nach der Zerstörung der Synagoge an der Turnerstraße, endlich wieder eine Synagoge an sichtbarer Stelle und von ausreichender Größe für die gewachsene Jüdische Gemeinde zu haben.

Andrea Jasper
Bielefeld




In Bielefeld, der "Stadt des Puddings und der Pastoren" wie ein überregionales Blatt das freundliche Dorf am Teutoburger Wald einmal nannte, findet ein Lehrstück über das Verständnis des Protestantismus anno 2007 statt. Gegen die "von oben" (kaum vom Himmel) verordnete Schließung der kleinen Paul-Gerhardt-Gemeinde haben Betroffene in Wort und Tat protestiert. Sie glauben, genügend Spendengeld zu bekommen, um das Gotteshaus unterhalten zu können. Statt ihnen Respekt für ihr Bekenntnis zu den Wurzeln religiöser Geschichte zu zollen, fährt die kirchliche Obrigkeit schweres juristisches Geschütz auf: "Hausfriedensbruch", Stromabschaltung, Schließung der Toiletten. Und sie erinnern sich vielleicht an jene Stelle im Neuen Testaments wo Jesus den Tempel säubert: "Mein Haus soll ein Bethaus heißen. Ihr macht es zu einer Räuberhöhle". Der Trend, überflüssig gewordene Kirchen zu veräußern, ist "in". Aber kein Zeitzeuge von damals hat berichtet, dass der Gründer der Lehre die Toiletten im Tempel zusperren ließ. Herr Präses, sprechen Sie kraft Ihres Amtes ein brüderliches Machtwort und plädieren Sie für eine Tat der Versöhnung.

Martin Bodenstein
Bielefeld




Welch eine Chance in der Geschichte des Zusammenlebens von Juden und Christen in Bielefeld lassen sich die Oberhäupter der beiden Glaubensrichtungen, aber auch deren Gemeindeglieder in der Frage eines demnächst leerstehenden Gotteshauses entgehen? Bietet sich nicht in Bielefeld mit dem Verkauf der Paul-Gerhardt-Kirche an die Jüdische Kultusgemeinde auf der einen Seite und dem "Nicht-Loslassen-können" der Angehörigen der betreffenden Gemeinde auf der anderen Seite die einmalige, deutschlandweite Chance, mit gemeinsamen Geldmitteln eine Versöhnungskirche für beide, zum gleichen Gott sich bekennende Menschen zu schaffen, die diese Gebetsstätte von nun an gemeinsam oder zunächst getrennt nutzen? Welche tradierten Vorschriften werden dem entgegengesetzt?

Hanns D. Knoop
Halle




Seit 1988 bin ich Mitglied der Paul-Gerhardt-Gemeinde gewesen. Aus diesem Grunde bestürzt mich das, was zurzeit geschieht, sehr. Am Bedenklichsten jedoch erscheint mir, dass in der derzeitigen Diskussion der Begriff des Antisemitismus seinen Einzug findet! Es geht hier darum, dass zwei Gemeinden – zum Sparen von Kosten für Verwaltung, Pfarrstellen et cetera – sich zusammengeschlossen haben und kurze Zeit später das "Tafelsilber", das heißt die Kirche der "annektierten" Gemeinde, versilbert werden soll! Diese – vielleicht auch nur rein gefühlsmäßige! – Kürze zwischen den Entscheidungen ist für mich ein wichtiger Punkt und stößt auf, da er ein Zeichen von viel Macht, aber wenig christlichem Verständnis und auch Gefühl ist! Was wollen die Besetzer eigentlich? Ein Gotteshaus erhalten! Dies steht im Vordergrund! Diesen Wunsch, unsere Paul-Gerhardt-Kirche zu erhalten, in die antisemitische Ecke zu stellen, halte ich für ein infames Totschlagsargument, welches zurückgenommen werden muss!

Hans-Steffen Stöckert
Bielefeld


lok-red.bielefeld@neue-westfaelische.de

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