Lippische Wochenschau ,
16.05.2002 :
Ich war Hitlerjunge Salomon
Lemgo (maz). Das Buch "Ich war Hitlerjunge Salomon" von Sally Perel ist weltbekannt, das Drehbuch zum gleichnamige Film war sogar für einen Oscar nominiert. In Lemgo las Sally Perel aus seinem Buch, erzählte von seinen Erlebnissen und stand den Besuchern für Fragen zur Verfügung. Zahlreiche, meist junge Leute und Schüler, fanden sich im Engelbert-Kämpfer-Gymnasium ein, um den bedrückenden, manchmal auch ironischen und teilweise amüsanten Geschichten zu lauschen.
Auf seinen bisherigen Lesereisen habe er, Sally Perel, die Erfahrung gemacht, dass die Jugend wissen will, was passiert ist. "Und sie soll es wissen", betonte der Autor. Denn nur aus der Geschichte könne man lernen, damit die jetzige Generation nicht auch ins Verderben rennt. "Man kann nicht geschichtsfrei leben", meinte er. Vier Jahre lang hat der damals 16-jährige Jude Sally als Hitlerjunge Jupp gelebt. "Die vier Jahre waren für mich vier Ewigkeiten. Jede Stunde der Angst ist eine Ewigkeit", erzählte Perel seinen aufmerksamen Zuhörern. Nie habe er den geringsten Zweifel gehabt, ob er als jüdischer Junge jeden Tag "Sieg Heil" rufen könne. Der Drang zum Leben sei in ihm gewesen. Er habe tiefe Abwehrmechanismen entwickelt, die ihm diktiert haben, was er zu vergessen habe. "Und ich vergaß meine Vergangenheit." Mit einem sehr tiefen seelischen Zwiespalt habe fortan gelebt.
"Es war eine innere Notwendigkeit, manchmal Judensterne ins Schulheft zu zeichnen, um mich selber nicht zu verleugnen", verriet er. Natürlich habe er sie sofort übergemalt. "Der Konflikt Jude-Nazi ist in mir. Das wird wohl bis zum Ende so bleiben. Das ist vermutlich der Preis meines Überlebens." Nach Ende des Zweiten Weltkrieges ging Sally Perel nach Israel. Trotz der vielen Jahre dort, fühle er sich als Deutscher. "Ich weiß genau, was für mich welches Land bedeutet. Deutschland ist das Gefühl und Israel mehr das Rationale", schilderte der 77-Jährige. Der Zeitzeuge sprach auch über die heutige Situation in Israel und über die Rechtsradikalen in Deutschland. "Leider kann man Randgruppen nicht verhüten, damals die SA, heute Leute mit Baseballschlägern. Aber wir können etwas dafür tun, dass diese Leute auch Randgruppen bleiben. Ich war damals, am 8. Mai 1945, überzeugt, dass es keinen Nationalsozialismus in Deutschland mehr geben wird." Er würde gerne alle Jugendlichen impfen mit den Tränen der 1,5 Millionen Kindern, die ermordet wurden. "Impfen gegen die braune Flut, die heute wieder in Deutschland ist, die Auschwitz als Lüge hinstellt."
"Schuld ist nicht erblich", betonte Sally Perel. Die Jugendlichen hätten keine Schuld an Auschwitz und Nazideutschland, aber die Jugendlichen wären verantwortlich, wenn es wieder passiere.
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