Schaumburger Zeitung ,
30.05.2002 :
Gericht genehmigt Neonazi-Aufmarsch
Rinteln (wer). Alles deutet darauf hin, dass die Neonazis am Sonnabend in Rinteln aufmarschieren. Im Internet mobilisieren „Freie Kameradschaften“ bundesweit für die Demonstration, und auch juristisch ist die erste Hürde genommen: Das Verwaltungsgericht hat die Verbotsverfügung der Stadt zurückgewiesen.
Veranstalter Christian Worch hatte Widerspruch gegen die Verbotsverfügung eingelegt. Möglicherweise zieht die Stadt jetzt vor das Oberverwaltungsgericht – große Chancen, den Aufmarsch zu verhindern, rechnet man sich allerdings auch hier nicht aus. Anders als im November, als die Gerichte das Verbot der Stadt bestätigten, bietet der Veranstalter diesmal strafrechtlich zu wenig Angriffsflächen, um die grundrechtlich garantierte Demonstrationsfreiheit in Frage zu stellen.
Wörtlich heißt es im Beschluss des Verwaltungsgerichtes: Den von der Stadt vorgelegten Unterlagen sind "keine hinreichend konkreten Erkenntnisse zu entnehmen, dass bei der vorgesehenen Veranstaltung ein Verstoß gegen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung unmittelbar in einer das Verbot der Veranstaltung rechtfertigenden Weise droht". Wahrscheinlich werden die Rechtsradikalen aber Auflagen von der Stadt erhalten. Offen ist deshalb noch, welchen Weg der Demonstrationszug nehmen darf. Laut Anmeldung soll der Aufmarsch am Sonnabend um 12 Uhr am Bahnhof beginnen und über die Weserbrücke zur Zwischenkundgebung auf den Marktplatz führen. Daraus allerdings dürfte nichts werden: Auf dem Marktplatz beginnt um 9.30 Uhr das "Fest der Kulturen und Religionen" – die zentrale Veranstaltung, auf der die Rintelner Flagge gegen Rechtsextremismus zeigen wollen.
Wo die Neonazis demonstrieren dürfen, wird sich wahrscheinlich erst am Freitag entscheiden. Fraglich ist derzeit auch noch, ob die Gegendemonstration der VVN ("Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes") wie geplant am Sonnabend um 9.30 Uhr am Bahnhof beginnen darf. Strategie der Polizei wird es sein, einen Zusammenstoß beider Demonstrationszüge auf jeden Fall zu verhindern.
Vergleichsweise unproblematisch ist für die Sicherheitskräfte dagegen der bereits für Freitagabend geplante Antifa-Umzug in der Nordstadt. Die Polizei hat inzwischen ein Lagezentrum auf dem BMH-Gelände eingerichtet. Die Einsatzleitung wird am Wochenende Wolfgang Kanngießer, Einsatzleiter der Polizeiinspektion Schaumburg, übernehmen. Bereits am Montag hat die Polizei ein Informationsblatt in Rintelner Schulen verteilt, das für friedliche Spielregeln am Wochenende wirbt: "Grundsätzlich garantiert das Grundgesetz allen Bürgern, sich zu versammeln! Die Polizei hat dafür Sorge zu tragen, dass dieses Grundrecht ausgeübt werden kann." Straftaten würden jedoch konsequent verfolgt. Der Aufruf an die Bürgerinnen und Bürger: "Distanzieren Sie sich von Gewalttätern! Meiden Sie Orte, wo Gewalttaten verübt werden!"
Heute werden Beamte das Flugblatt auch auf dem Marktplatz verteilen. Am Freitag rücken die ersten Hundertschaften der Bereitschaftspolizei in Rinteln an. Nach Auskunft von Polizeisprecher Axel Bergmann werde die Einsatzstärke von der Größe der Demonstrationszüge abhängen – man bereite sich auf einen "lageangepassten Einsatz" vor. Für den Neonazi-Aufmarsch sind 200 bis 300 Teilnehmer angemeldet. Bergmann geht derzeit aber nicht davon aus, dass diese Größenordnung tatsächlich erreicht wird.
f.werner@schaumburger-zeitung.de
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