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Bielefelder Tageblatt (MW) / Neue Westfälische , 01.09.2006 :

Stolpersteine erinnern an Nazi-Opfer / Im Oktober sollen weitere zehn Exemplare verlegt werden / Hartog dankt Stadtarchiv für Unterstützung

Von Frank Beil

Bielefeld. Außer an Hugo Schweitzer erinnern weitere sechs Stolpersteine an Opfer der Nazi-Diktatur in Bielefeld. Initiatorin Eva Hartog, Präsidentin des Zonta-Clubs, zeigte sich zufrieden mit der Pflasteraktion des Künstlers Günter Demnig (vgl. NW v. Freitag, 18. August). 2005 hatte er bereits zehn Steine mit den Daten der Verfolgten vor ihren früheren Wohnhäusern verlegt.

Die neuen Steine mit einem 10 mal 10 Zentimeter großen Messingschild sollen erinnern an: Gustav Koch. Der 1900 in Oerlinghausen geborene Dreher wohnte in den Heeper Fichten an der Althoffstraße 4. Die Nazis ermordeten das Mitglied der KPD (Kommunistische Partei Deutschlands) nach einer Anklage wegen "Rundfunkverbrechen"(Abhören von "Feindsendern"), Wehrkraftzersetzung und Hochverrat am 15. September 1944 in Dortmund.

"Rundfunkverbrechen", "Hochverrat" und "Heimtücke"

Ebenfalls der KPD gehörte Herrmann Wörmann an, geb. 1896 in Sieker. Er wohnte in der Althoffstraße 14 und starb ebenfalls am 15. September 1944 in Dortmund.

Fritz Beckstätte, Stieghorster Straße 54 a, geb. 1899 in Bielefeld, Schleifer, schwerbeschädigt, Vater von acht Kindern, 1936 zu neun Monaten Gefängnis wegen "Vorbereitung zum Hochverrat" verurteilt, Selbstmord am 8. Juli 1936.

Gleich vier Steine hat Demnig vor dem Haus Mühlenstraße 7 auf dem Bürgersteig eingelassen: Selma Grünewald, geb. Wolff, Witwe des Kaufmanns Albert Grünewald, geb. 1890 in Südlohn (Westf.); Leo Grünewald, geb. 1921 in Bielefeld, Fleischer, Sohn von Selma Grünewald; Margot Grünewald, geb. 1926 in Bielefeld, Tochter Selma Grünewalds, alle drei in Auschwitz ermordet, und Rosa Heymann, geb. Wolff, geb. 1891 in Südlohn (Westfalen), Witwe, Mitinhaberin des Bekleidungsgeschäftes Grünewald und Heymann, am 13. Dezember 1941 ins Ghetto Riga deportiert und dann dort von den Nazis umgebracht.

Im kommenden Oktober ist geplant, weitere zehn Steine zu verlegen. "Das übernimmt Straßenbaumeister Horst Militzke vom Handwerksbildungszentrum in Brackwede mit seinen Auszubildenden", sagt Mitinitiatorin Christine Biermann. Die haben Demnig schon zweimal begleitet und sein Vertrauen gewonnen.

Dann geht es um weitere zehn Opfer des Naziterrors: Eduard Gaus, Oelmühlenstraße 105, geb. 1888, Schlosser bei Dürkopp, Mitglied der KPD, zweimal verurteilt wegen "Vorbereitung zum Hochverrat", am 21. März 1945 im Zuchthaus Werl an Unterernährung gestorben.

Wilhelm Hünerhoff, Finkenstraße 77 geb. 1889 in Bielefeld, Verwaltungsoberinspektor der AOK, verurteilt wegen "Heimtücke", danach "Konzentrationslager" (KZ) Neuengamme, dort von den Nazis am 27. August 1944 umgebracht.

Frieda Homann, geb. Reinecke, geb. 1903 Großrhüden (Kreis Hildesheim), und Heinrich Homann, Ortschmiedeweg 33, geb. 30. Juli 1900 in Güstrow, KPD-Mitglied, Todesurteil wegen "Fortführung einer kommunistischen Gruppe", "Feindsenderabhören" und "Wehrkraftzersetzung" beide hingerichtet am 4. Januar 1944 im Gerichtsgefängnis Dortmund.

Ernst Brune, geb. 1889 in Schildesche, Am Sudholz 31, Brauereiarbeiter, KPD-Mitglied, Kritik an Nazis und Krieg, ohne Verfahren ins KZ Sachsenhausen, dort am 25. Mai 1940 totgeschlagen.

Dr. Julius Kamp, geb. am 16. März 1886 in Herford, Rechtsanwalt, Detmolder Straße 8, vergast am 17. Oktober 1944 in Auschwitz.

Lotte Windmüller, geb. am 9. Juli 1922 in Bielefeld, Detmolder Straße 76, deportiert am 2. März 1944 nach Auschwitz, Todesdatum unbekannt.

Gustav Höcker, geb. 1898 in Wanne-Eickel, Maschinenmonteur, KPD-Mitglied, Haller Weg 65, nach "Hochverrats"- und "Wehrkraftzersetzungsanklage" am 15. September 1944 in Dortmund hingerichtet.

Rudolf Sauer, geb. 1900 in Bielefeld, Zahntechniker, KPD-Mitglied, Wellensiek 154, am 15. September 1944 ebenfalls in Dortmund hingerichtet.

Fritz Bockhorst, geb. am 7. April 1901, An der Landwehr 1, angeblich Selbstmord am 30. Juni 1944 nach sechs Jahren zermürbender Haft.

Eva Hartog rechnet damit, dass "das Einmann-Unternehmen Günter Demnig 2007 nochmals acht bis zehn Steine pflastern wird". Sie ist dem Stadtarchiv für die große Unterstützung bei dem Vorhaben sehr dankbar. "Ich freue mich, dass Stadtarchivarin Dr. Monika Minninger auch nach ihrem Eintritt in den Ruhestand uns weiterhelfen will. Sie ist Patin von Ernst Brune", erläuterte Hartog. Sie hat das Projekt Stolpersteine mit dem Frauen-Netzwerk "Zonta-Club" nach Bielefeld geholt.

Der Künstler Günter Demnig hat bereits über 7.000 Stolpersteine in 130 deutschen Städten verlegt. Ihm geht es dabei um das Andenken an alle Opfer des Nazi-Regimes: Juden, politische und religiös Verfolgte, Sinti, Roma und Homosexuelle.

Wer weitere Informationen zu den Menschen beitragen kann, sollte sich bei Eva Hartog ihr unter der Telefonnummer (0521) 966399 oder per E-Mail eva.hartog@klinikdrhartog. de melden.


lok-red.bielefeld@neue-westfaelische.de

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