Schaumburger Zeitung ,
03.06.2002 :
Nur 65 Neonazis – Polizei hält die Demonstranten in Schach
Rinteln (wer/wm). Der Spuk dauerte zweieinhalb Stunden. Dann saßen 65 Neonazis wieder im Zug zurück. Rund 400 Polizei- und Bundesgrenzschutzbeamte diktierten den Demonstranten am Samstag das Drehbuch: Sie eskortierten die Rechtsradikalen vom Bahnhof zum Kirchplatz und hielten die Antifa-Sympathisanten – zum Teil mit Schlagstöcken – davon ab, den Marschweg der Neonazis zu kreuzen.
Brenzlig wurde es für einige Minuten gegen 11 Uhr an der Weserbrücke: Rund 150 Antifa-Demonstranten versuchten, vom Weseranger aus die Brücke zu besetzen, um einen Durchmarsch der Neonazis in die Altstadt zu verhindern. Die Polizei reagierte prompt, berittene Beamte legten einen Galopp ein, um Ausreißer einzusammeln. Die schnell zusammengezogenen Sicherheitskräfte drängten die Antifa-Aktiven auf die Dankerser Straße zurück – nicht immer fassten sich Polizisten und Demonstranten dabei mit Samthandschuhen an. Eine kleinere Gruppe mit zum Teil vermummten Antifa-Anhängern versuchte anschließend, zum Bahnhof vorzustoßen. Dort sollten bald die Neonazis eintreffen. Die Polizei musste den Versuch kurzzeitig auch mit Gewalt unterbinden, Beamte setzten Schlagstöcke ein. Zwei Demonstranten hat die Polizei in Gewahrsam genommen und Strafverfahren gegen sie eingeleitet.
Auf der Brücke versammelten sich zur gleichen Zeit Schüler, die vom Marktplatz aufgebrochen waren. Auch sie wollten den Neonazis den Weg nach Süden versperren. Die Polizei überredete die Schüler, freiwillig den Rückzug anzutreten und kontrollierte fortan jeden Passanten, der auf die Brücke wollte. Den Antifa-Demonstranten auf der Nordseite der Weser erlaubte die Polizei jetzt nicht mehr, über die Brücke zum Fest auf dem Marktplatz zu gehen. "Ein Zusammentreffen der beiden Gruppen hätte sonst nicht ausgeschlossen werden können", begründet Polizeisprecher Axel Bergmann die Durchgangssperre.
Die Devise der Polizei: Linke und rechte Demonstranten sollten um jeden Preis getrennt und die genehmigte Marschroute der Neonazis gesichert werden. Eine Stunde später, kurz vor 12 Uhr, stiegen die ersten Neonazis am Bahnhof aus dem Zug. Veranstalter Christian Worch musste gegenüber der Polizei einräumen, dass die angemeldete Zahl von 200 bis 300 Teilnehmern wohl nicht erreicht werde: Maximal 65 Neonazis (die Zahl wird von der Polizei genannt) hatten sich am Bahnhof versammelt.
Auch die Polizei war überrascht: Mit einem so kleinen Aufgebot hatte man nicht gerechnet. Das Gros der rechten Demonstranten kam aus der heimischen Region und aus Minden/Ostwestfalen. Beamte durchsuchten die Teilnehmer nach Waffen und kontrollierten die Kleidung. Einige Neonazis mussten Springerstiefel und Bomberjacke ablegen, um die Auflagen der Stadt zu erfüllen.
Auf der vom Verwaltungsgericht genehmigten Route bewegte sich der kleine Demonstrationszug in loser Formation vom Bahnhof in die Südstadt. Endstation war der Parkplatz am Alten Museum – von hier aus ging es auf gleicher Route wieder zurück zum Bahnhof. Den Marktplatz – vom Verwaltungsgericht als Ort der Zwischenkundgebung ebenfalls genehmigt – hatte die Polizei abgeriegelt. Die Antifa wurde auf Distanz gehalten. Nur verbal kam es zum Schlagabtausch mit den Neonazis. Als die Rechtsradikalen über die Brücke in die Südstadt marschierten, wurden sie mit einem gellenden Pfeifkonzert bedacht – Teilnehmer des Marktplatz-Festes hatten in der Weserstraße ein entsprechendes Empfangskomitee gebildet.
Gegen 14 Uhr verließen die Neonazis die Stadt. Polizeisprecher Bergmann zog noch am Samstagnachmittag eine positive Bilanz: "Die Polizeikräfte hatten die Situation zu jedem Zeitpunkt unter Kontrolle, keine der angemeldeten und genehmigten Veranstaltungen war zu irgendeinem Zeitpunkt gefährdet."
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