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Lippische Rundschau , 21.03.1997 :

Vortrag zum Bild des Soldaten im Wandel der Geschichte / Anerkennung ehemaliger Gegner

Detmold/Kreis Lippe (LR). Die immer noch nicht abgeschlossene Auseinandersetzung mit der Tradition als Voraussetzung einer vollständigen Tradition der Bundeswehr in die Gesellschaft bestimmte die Ausführungen von Kapitän zur See Dieter Stockfisch, Bonn, vor den zahlreichen Gästen der Gesellschaft für Wehr- und Sicherheitspolitik, Sektion Detmold. Er sprach über das Thema "Zur Gestalt des Soldaten in unserem Land - das Bild des Soldaten im Wandel der Geschichte".

Das fehlende Selbstverständnis, so der Referent, das sich zum Beispiel in den Angriffen auf das Öffentliche Gelöbnis der jungen Rekruten der Bundeswehr dokumentiere, habe sich auch 50 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges noch nicht verändert und hemme die Entwicklung einer vorurteilsfreien Haltung gegenüber den Streitkräften.

Mit dem Begriff des "Staatsbürgers in Uniform" habe die Bundeswehr die Voraussetzungen für die Integration der Soldaten in die Gesellschaft in weitaus größerem Ausmaß erfüllt, als es zum Beispiel in vielen anderen Ländern auch Europas der Fall sei. Das Ausland stehe der deutschen Bundeswehr als Nachfolgerin der Wehrmacht wesentlich unbefangener gegenüber, als es in der Bundesrepublik der Fall sei. Das "Mörderurteil" des Bundesverfassungsgerichtes und die Ausstellung über die "Wehrmachtsverbrechen" kennzeichne die Situation, die auf der anderen Seite durch die uneingeschränkte Akzeptanz der Bundeswehr im Rahmen der NATO geprägt sei.

Dabei fuße die Anerkennung nicht zuletzt auf den Leistungen, die die deutschen Soldaten im Zweiten Weltkrieg erbracht hätten. So hätten die US-Militärs bereits im Vietnam-Krieg zur Motivation ihrer Soldaten auf die Leistungen der deutschen Wehrmacht noch in den Abwehrkämpfen der letzten Kriegsmonate verwiesen. Der Referent nannte zahlreiche Beispiele und Äußerungen der ehemaligen Kriegsgegner - unter anderem auch den französischen Staatspräsidenten Mitterand, die sich anerkennend über die Kampfmoral, die Disziplin und das Pflichtbewußtsein der deutschen Offiziere und Soldaten äußerten.

Kapitän zur See Stockfisch ging sodann auf den Wert der Tradition für den Dienst der Soldaten ein: "Das Bild der Soldaten im Wandel der Geschichte" sei wesentlich durch Friedrich den Großen und seine Staatsidee geprägt, bei der die Toleranz gegenüber Andersdenkenden, die Idee des Rechtsstaates und das Ethos des Dienens im Mittelpunkt gestanden hätte. Soldatische Tradition sei immer von einem Stück Bescheidenheit geprägt gewesen: "Mehr sein als scheinen." Tradition stifte Identität. Kein Soldat könne auf die Erfahrungen der Vergangenheit verzichten. Dabei seien Tradition und Fortschritt keine Gegensätze.

Die deutsche Tradition sei trotz der Untaten der politischen Führung im Zweiten Weltkrieg, die der kritischen Aufarbeitung bedürften, beispielhaft geprägt zum Beispiel durch die Tatsache, dass es in den deutschen Streitkräften strikt verboten war, einen Untergebenen anzufassen - zu einem Zeitpunkt, als in England und den USA die Prügelstrafe noch gang und gäbe war.


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